Enaktive Traumatherapie

Die Enaktive Traumatherapie wurde von Ellert Nijenhuis, PhD., auf Grundlage des Konzepts der traumabezogenen strukturellen Dissoziation der Persönlichkeit entwickelt. Der niederländische Psychotherapeut und Wissenschaftler zählt zu den führenden Experten in Europa im Bereich der traumatherapeutischen Behandlung von komplexen Traumafolgestörungen.
Ellert Nijenhuis erhielt internationale Preise für seine Forschungen zu psychischer Traumatisierung und dissoziativen Störungen, darunter auch den Pierre Janet Schreibpreis von der International Society for the Study of Trauma and Dissociation (ISSTD) für das Buch “Somatoforme Dissoziation: Phänomene, Messung und theoretische Aspekte”. Für seine herausragenden Leistungen in Forschung und Behandlung chronisch traumatisierter Menschen wurde Nijenhuis im Jahr 2004 von der niederländischen Königin Beatrix zum Ritter geschlagen (Knight in the Order of the Dutch Lion).
Enaktive Traumatherapie integriert Konzepte und Forschungsergebnisse aus den Bereichen Philosophie, Psychologie, Biologie, Hirnforschung, Neuropsychologie, Psychotraumatologie, Bindungs- und Lerntheorie, sensomotorische Psychotherapie und andere enaktive Ansätze, wie z.B. körperorientierte Gestalttherapie.
Enaktive Traumatherapie arbeitet ganzheitlich, körperorientiert, dialogisch, systemisch, phänomenologisch, phasen- und prozessorientiert, mitfühlend und engagiert, um eine Bewusstwerdung dieser inneren Prozesse zu unterstützen und diese besser verstehen zu lernen, Kommunikation zu fördern, heilende Erfahrungen zu machen, Unverbundenes wieder in Verbindung miteinander zu bringen und die Selbstwirksamkeit zu verbessern.

Das Konzept der chronischen traumabezogenen strukturellen Dissoziation der Persönlichkeit geht zurück auf das Konzept der Dissoziation von Pierre Janet (1859–1947) und wurde von dem ForscherInnenteam Onno van der Hart, Ellert Nijenhius und Kathy Steele weiterentwickelt.
Das Konzept der strukturellen Dissoziation betrachtet traumabezogene Dissoziation als unmittelbare Reaktion auf traumatisierende Ereignisse. Die dissoziative Teilung geschieht nicht zufällig, sondern entlang bestimmter Strukturen innerhalb der Persönlichkeit. Ein Persönlichkeitsanteil regelt dabei scheinbar ganz normal Aufgaben im Alltag, während traumatisierende Erlebensqualitäten (Gedanken, Gefühle, Körperempfindungen, Sinneswahrnehmungen, Verhaltensmuster) fragmentiert in andere Persönlichkeitsanteile dissoziiert sind. Die dadurch entstehenden traumabezogenen dissoziativen Störungen sind in ihrem Erscheinungsbild vielfältig und die Behandlung ist entsprechend komplex und herausfordernd.

Enaktive Traumatherapie geht davon aus, dass Organismen verkörpert (embodied) und in ihre Umwelt eingebettet (embedded) sind. Menschen als Organismus-Umwelt-Systeme sind zielorientierte, affektive Wesen, die bestrebt sind, ihre Existenz zu erhalten und Dinge zu verstehen. Körper, Seele und Geist nehmen beständig wechselseitigen Bezug aufeinander sowie auf die Umwelt. Der Begriff "enaktiv" bedeutet handlungsbezogen. Durch eigenes Handeln und Interaktion miteinander erschließen Lebewesen sich selbst und ihre Umwelt und erleben sich als Ich-als-Teil-von-dieser-Welt.
Traumatisierung ist eine Verletzung dieses Organismus-Umwelt-Systems. Mangelnde Integration gegensätzlicher intrapsychischer Bedürfnisse (Verlangen und Streben) führt zu einem (unbewussten) permanenten inneren (Überlebens-)Kampf. Während einige Persönlichkeitsanteile sich sehr anstrengen, ein ganz normales Leben zu leben, erstarren andere Persönlichkeitsanteile in Angst oder wollen vor allem fliehen, was als bedrohlich empfunden wird, während gleichzeitig wiederum andere Persönlichkeitsanteile darum kämpfen, die Integrität des Körpers zu verteidigen.
Enaktive Traumatherapie versteht diese Trauma-Trinität (Nijenhuis) als verschiedene, unverbundene, aber zusammengehörige Seiten einer Gesamtheit.
Je mehr interpersonelle Traumatisierung stattgefunden hat, desto stärker ist das Verlangen, als Mensch gesehen und gehört zu werden, zu fühlen, dass man (an-)erkannt wird und einem anderen Menschen emotional zu begegnen.
Interpersonelle Traumatisierung geht auch immer damit einher, dass ein Mensch als Objekt benutzt wurde. Nicht nur durch körperliche und sexualisierte Gewalt kann ein Mensch massiv und systematisch verletzt werden, sondern ebenso dadurch, von den TäterInnen wie ein Gegenstand für deren Zwecke benutzt worden zu sein. (Früh-)kindliche emotionale und/oder körperliche Vernachlässigung durch die ersten Bezugspersonen, psychische Gewalt wie Beleidigungen und Entwertungen durch Personen, die eine besondere Bedeutung für einen haben, Psychoterror in Partnerschaften verursachen auch unabhängig von erlebten Gewalttraumatisierungen eine tiefe seelische Wunde mit weitreichenden psychischen Folgen bis in die Gegenwart hinein.
Je größer die psychische Wunde durch interpersonelle Gewalt ist, desto stärker sehnen sich PatientInnen nach einer TherapeutIn, die mit ihnen in Kontakt geht und als Mensch ein Gegenüber ist.
TherapeutInnen wollen erkunden, mit welcher psychischen Störung PatientInnen zu ihnen kommen (Diagnostik) und wollen wissen, wie die Diagnose behandelt werden kann (Interventionen). Eine sorgfältige Dissoziationsdiagnostik ist wichtig, um störungsspezifisch behandeln zu können. Wollen TherapeutInnen in erster Linie „technisch“ das Richtige tun, lassen sie außer Acht, dass eine PatientIn vor ihnen sitzt, die ihre Persönlichkeit wiederherstellen will und sich bei rein „technischer“ Betrachtung der TherapeutIn als Untersuchungsgegenstand statt als Subjekt erneut objektiviert fühlen kann.
Der Weg der Enaktiven Traumatherapie ist ein anderer. Enaktive Traumatherapie ist ein Versuch, gemeinsam Sinn zu stiften.
Die Bedeutung von Dingen (Erfahrungen, Überzeugungen, familiäre, soziale, religiöse, kulturelle, wissenschaftliche Normen, etc.) ist nicht etwas, das unverrückbar für alle Menschen gleichermaßen bis in alle Ewigkeit feststeht. Bedeutung wird durch gemeinsames Handeln gefunden.
Enaktive Traumatherapie gleicht einer Einladung zum Tanz. Ein ständiges Suchen und Ausbalancieren von Verlangen und Streben der PatientIn und der TherapeutIn auf dem Weg zu gemeinsamer Sinnstiftung. Enaktive Traumatherapie ist eine verkörperte und in die Welt eingebettete kontinuierliche Zusammenarbeit von TherapeutIn und PatientIn mit dem Verlangen nach gemeinsamer Bedeutungsgebung und Sinnstiftung und dem Streben nach Veränderung.

Ellert Nijenhuis ist Autor von Fachbüchern und zahlreichen wissenschaftlichen Artikeln.
Als Co-Autor schrieb er zusammen mit Onno van der Hart und Kathy Steele das Buch "Das verfolgte Selbst - Strukturelle Dissoziation. Die Behandlung chronischer Traumatisierung" (2006), das mittlerweile als Standardwerk gilt.
In seinem Werk "Die Trauma-Trinität: Ignoranz - Fragilität - Kontrolle" (2016) beschreibt Nijenhuis die Enaktive Traumatherapie umfassend.
In Band 1&2 seiner Trilogie "Die Entwicklung des Traumabegriffs/Traumabedingte Dissoziation: Konzept und Fakten" beschreibt Nijenhuis detalliert Konzepte und Theorien, belegt diese mit empirischen Ergebnissen und bietet neue Definitionen des Traumabegriffs an.
In Band 3 seiner Trilogie "Enaktive Traumatherapie" beschreibt Nijenhuis die Enaktive Traumatherapie als kreativen und egalitären Behandlungsansatz auf der Grundlage von Forschungsergebnissen und klinischer Kompetenz. Band 3 enthält zahlreiche Fallbeispiele, anhand derer Konzept und Theorie der Enaktiven Traumatherapie praktisch erläutert wird.

Ellert Nijenhuis bietet bundesweit und international Weiterbildungen in Enaktiver Traumatherapie als Grund- und Fortgeschrittenenkurs (jeweils ein Jahr), als Master Class und seit 2022 auch in seiner eAcademy an. Außerdem bietet er Supervision im Einzel-und Gruppensetting an.
Im Jahr 2023 veranstaltete Ellert Nijenhuis in Belgien mit großem Erfolg die erste internationale Konferenz zum Thema "Enaktiver Ansatz bei Trauma und Dissoziation".

Enaktive TraumatherapeutInnen, die in ihrer Ausbildung in Enaktiver Traumatherapie weit fortgeschritten sind, d.h. dass Grund- und Fortgeschrittenenkurs sowie die Master Class absolviert wurden, ebenso Teilnahme in der Kernel-Group (Teaching and Supervising Enactive Trauma Therapy), und langjährige Supervision in Enaktiver Traumatherapie bei Ellert Nijenhuis erhalten, finden Sie auf der Website von Ellert Nijenhuis: TherapeutInnen mit Ausbildung in Enaktiver Traumatherapie in Deutschland und Europa